SCHON IMMER BERÜMT – Ägyptische Mumien

Das aus dem Persischen ins Arabische eingeflossene Wort mumiya bedeutet eigentlich Wachs; das Wort Mumie dürfte vom später damit bezeichnete Bitumen abgeleitet worden sein. Man glaubte lange Zeit, und das war der Irrtum, dass die Ägypter ihre Mumien mittels Bitumen (Pech- oder Bergteer) konservierten, doch die schwarze Masse (reichlich verwendete Harze, Öle und Spezereien) hatte sich im Laufe der Jahrtausend nur verfestigt und sich später zu einer teerartigen Substanz verändert.

Die kunstvolle Mumifizierung, die den Angehörigen der Oberschicht vorbehalten ist, erfolgt innerhalb eines Zeitraumes von 70 Tagen.

Danach erfolgt die Beisetzung der Mumie und der Eingeweide, zumeist in den Nekropolen auf der Westseite des Nils. Klageweiber und ein Trauerzug begleiten den Sarg, der auf einem Schlitten zum Grab gebracht wird.

Dort nimmt man Abschied und vollzieht die Zeremonie der „Mundöffnung“ – sie ermöglicht es dem Toten, seine Sinnesorgane im Jenseits zu nutzen.

Der Totenpriester spricht Gebete, der Sarg wird im Grab verschlossen und das Begräbnis endet mit einem Totenfest mit Speise und Trank. Während hochrangige Personen in Felsengräbern oder eigenen Grabbauten bestattet werden, bestehen die Gräber der einfachen Bevölkerung lediglich aus Sandgruben.

Unter den künstlichen Mumien, die durch besondere Präparation mit Fäulnis widrigen Stoffen erzeugt werden, sind die ägyptischen Mumien seit alter Zeit berühmt. Schon Abdul Latif, ein arabischer Reisender des 12. Jahrhunderts, berichtet, dass man die nach Myrrhen duftenden Mumien in Ägypten zu medizinischen Zwecken verkaufe.

Noch im 16. Jahrhundert und im Anfang des 17. Jahrhunderts wurde in Europa ein schwungvoller Handel damit betrieben, da sie als ein vorzügliches Heilmittel gegen Brüche, Wunden und Kontusionen galten; selbst Ende des 19. Jahrhunderts sollen in deutschen Apotheken noch vereinzelt Mumien nachgefragt worden sein.
Der weitaus größte Teil ägyptischer Mumien, die sich heute in den Museen in aller Welt befinden, gelangte allerdings erst durch den Sammeleifer von Forschungsreisenden und Kunstliebhabern nach Europa; neben Antiquitäten wurden oft komplette Mumien – zum Teil noch in ihren ursprünglichen Särgen – zum Kauf angeboten. Heutzutage ist die Ausfuhr von Altertümern und Mumien natürlich strengstens verboten. Die bei Ausgrabungsarbeiten neu gefundenen Mumien werden bereits an Ort und Stelle anthropologisch untersucht.
In anderen Gräbern, z. B. in thebanischen Volksgräbern, liegen die Mumien uneingesargt in Haufen zu Hunderten und Tausenden. Sie sind lang gestreckt, mit den Händen über der Brust oder über der Schoßgegend gekreuzt oder mit eng an der Seite liegenden Armen, Frauen zuweilen in der Stellung der Venus von Medici. Zwischen den Beinen oder Händen, seltener in den Achselhöhlen, findet man bei den Vornehmen religiöse Handschriften auf Papyrus, besonders aus dem Totenbuch, womit bei Ärmeren die Mumienbinden beschrieben sind. Am Bauch und auf der Brust, häufiger noch zwischen den Binden finden sich kleinere Amulette; die Mumien von Vornehmen sind oft mit Schmucksachen aus Gold und edlen Steinen, Halsbändern, Ringen, Ohrringen, Skarabäen, Amuletten und Götterfiguren geschmückt.

Die linke Hand ist fast immer mit Ringen oder Skarabäen geschmückt. Die Mumien der späteren Zeit sind schwarz und schwer und bilden mit den Binden eine unförmliche Masse. Schon der arabische Gelehrte Abdul Latif erzählt von Goldstückchen, welche sich auf den Mumien fänden, und in vielen Museen hat man Exemplare, welche Vergoldung im Gesicht, auf den Augenlidern, auf den Lippen, an den Geschlechtsteilen, an Händen und Füßen zeigen. Mariette hat beobachtet, dass die Mumien von Memphis schwarz, ausgetrocknet und sehr zerbrechlich sind, während die von Theben gelb, matt glänzend und oft noch geschmeidig sind, was auf eine verschiedenartige Behandlungsweise hindeutet. Auch wurden Tiere, besonders Katzen und Hunde mumifiziert und als Grabbeigaben verwendet.
Üppige Grabbeigaben, riesige Gräber mit kunstvollen Sarkophagen oder gar Pyramiden – die arme Bevölkerungsschicht konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Von einer Einbalsamierung wagten die meisten gar nicht zu träumen. Damit der Mensch über seinen physischen Tod hinaus als Individuum fortdauern kann, müssen die Seelenelemente weiterhin zusammenbleiben respektive immer wieder zusammenkommen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den physischen Körper durch Mumifizierung unbeschadet zu erhalten, den Namen des Verstorbenen zu bewahren, den Ka durch Opfergaben zu stärken und für den frei beweglichen Ba und den Schatten mit der Mumie im Grab sozusagen einen „Treffpunkt“ für die Wiedervereinigung festzulegen.

Nach der Trocknungsphase wird die total eingeschrumpelte Haut mit Ölen behandelt, dass sie wieder geschmeidig wird, und der Körper wird mit Sägespänen, Nilschlamm oder seltener aromatisch duftenden Fechten ausgestopft, dass er ungefähr sein ursprüngliches Volumen wiederbekommt. Die nicht konservierbaren Augen wurden nach dem Bandagieren auf den umwickelten Kopf aufgemalt oder mit verschiedenen, farbigen Materialien nachgebildet. Manchmal wurden kleine Küchenzwiebeln eingesetzt. Erhitztes, dünn flüssiges Salböl wurde in den Schädel gegossen, wo es erstarrte. Dieses Salböl bestand aus einer Mischung von Kampferöl, Myrrhe, Wacholderöl, Bienenwachs und Nadelbaumharz (wirkt antibakteriell); sie sorgten für weiteren Wohlgeruch und verbesserten den Konservierungsprozess.
In verschiedenen Zeitperioden wurde einmal Wacholderöl und einmal Zedernöl bevorzugt. Da die Öle teilweise importiert wurden, war dies eine Frage des Preises. Ein großes Amulett in Form eines Skarabäus wurde auf das Herz und die Brust gelegt. Das Amulett enthielt eine Beschwörungsformel (Spruch 30B, Hunefer) an das Herz: Es solle doch nicht gegen seinen Besitzer beim Totengericht aussagen. Es gab auch Doppelfingeramulette aus Obsidian, vulkanisches Gesteinsglas, die auf den Bauchschnitt gelegt wurden; es soll vielleicht auf die bedeutsamen Handlungen der Totenpriester anspielen. Der Bauchraum wurde zugenäht und auf die Schnittwunde kam meist bei Pharaonen noch ein als heilend angesehenes Wachs- oder Gold-Amulettplättchen mit dem Udjat-Auge, dem ägyptischen Symbol für Unversehrtheit. Der Körper galt nun wieder als geheilt. Andere Körperteile wurden auch noch mit entsprechend geformten Goldauflagen geschützt: zum Beispiel goldene Zungenplättchen im Mund. Bei Königen wurden Finger und Zehen durch Goldhülsen geschützt.
Der Leichnam wurde mit Salböl imprägnierten Leinenstreifen sorgfältig gewickelt und in mehreren Lagen bandagiert: Bei aufwändig hergestellten Mumien wurde zuerst jedes einzelne Glied, dann die Extremitäten und schließlich der gesamte Rumpf umwickelt. Schätzungen zufolge benötigte man oft mehrere hundert Meter von Leinengewebe, bis der Körper vollständig umwickelt war und es konnte bis zu 15 Tage dauern. Während des Bandagieren wurden Amulette und Halbedelsteinen jeder Art und Größe entweder mit eingewickelt oder auf den Binden festgenäht. Mit Harz wurden die Binden fixiert. Begleitet wurde diese Arbeit von einem Zeremoniell aus Gebeten und Weihehandlungen. Die Aufsicht hatte ein Sem-Priester in der Maske des schakalköpfigen Gottes Anubis. Aus dem Toten war nun für die Ägypter der „Eingehüllte“, der „ehrwürdige Tote“ geworden. Um ihn geistig-magisch zu schützen wurde ab der Spätzeit zusätzlich ein Perlennetz aus grünen oder türkisfarbenen Fayenceperlchen über den umwickelten Leichnam gelegt. Ein geflügelter Skarabäus als Symbol des Sonnenlaufs und damit der alltäglichen Wiedergeburt und die vier Horus-Söhne als Schutzgottheiten wurden beigegeben.
Zum Schluss wurde die fertiggestellte Mumie zum weiteren Schutz in einen mit magischen Sprüchen und Malereien versehenen Sarg (Haus der Toten) in Menschengestalt und mit einer idealisierten Gesichtsmaske gelegt. Pharaonen wie Tutanchamun wurden auch in mehrere ineinander geschachtelte Särge aus Holz oder Stein gelegt. Türen und Augen spielten eine wichtige Rolle, damit der Verstorbene seine Grabbeigaben wahrnehmen und sein ka in die Aussenwelt treten konnte. Danach wurde der Begräbnistag festgesetzt.

Mumienkartonage, Ptolemäer, 3. – 1. Jh. v. Chr. | Herkunft unbekannt | Leinen, Stuck | Aberdeen © J. Heißinger, Aufnahme Pharaonen – Lokschuppen Rosenheim, 2017
Katzenmumie, Ptolemäer, 3. – 1. Jh. v. Chr. | Fundort unbekannt | Organisch | Aberdeen © J. Heißinger, Aufnahme Pharaonen – Lokschuppen Rosenheim, 2017

DER LANGE WEG BIS ZUR PERFEKTION

In Prädynastischer Zeit, im 4. Jahrtausend v. Chr., hatten die Bewohner des Nillandes ihre Toten noch im heißen trockenen Wüstensand begraben, was eine natürliche Konservierung der Leichname bewirkte. Später wurden die Toten in Matten oder Holzsärgen begraben. Doch Feuchtigkeit förderte Verwesung und Skelettierung. Die Leichen mussten also künstlich konserviert werden. So wurde die Herstellung von Mumien eine „Spezialität“ der Ägypter. Sie erfanden die Mumifizierung, betrieben sie systematisch und perfektionierten die Technik zur Fertigung einer unsterblichen Hülle für das Jenseits. Die Mumifizierung wurde im Alten Ägypten nach und nach perfektioniert und hatte ihre Blütezeit (um 1000 v. Chr.). Qualität und Ausstattung von Mumien verweisen jedoch nicht nur auf die jeweilige Entstehungszeit, sie vermitteln auch einen Einblick über die soziale Stellung der betreffenden Person.
Die Kunst des Balsamierens war geächtet und wurde daher meist vom Vater zum Sohn oder vom Meister zum Lehrling mündlich weitergegeben. Die Balsamierung selbst war ein mythisches Ritual: Der Tote und die Priester übernahmen die Rollen von Göttern. Der Körper wurde – im Idealfall – einer 70-tägigen Behandlung unterzogen. Der Leichnam wurde zunächst in der Balsamierungswerkstatt abseits an einem Wasserlauf, mit Natronwasser gewaschen. Anschließend kam er auf einen Bahren ähnlichen Tisch aus Stein oder Holz. Die drei Abschnitte waren: Ausweiden, Austrocknen und Ausstopfen.
Als erstes wurde mit einem etwa 40 cm langen Haken das Gehirn verquirlt und durch die Nase oder vom Hinterkopf aus entfernt. Ein Balsamierungspriester schnitt mit einem Steinmesser die linke Bauchseite auf und entnahm bis auf das Herz (Sitz der Seele) und die schwer zugänglichen Nieren, alle Organe die als verweslich eingestuft wurden. Nach der Reinigung mit Palmwein und Natronsalz wurden die Organe in Leinen gewickelt und getrennt in sog. Kanopen beigesetzt. Das waren Gefäße aus Stein oder Ton. Die vier Horusssöhne (Amset in Menschengestalt, Duamutef in Menschengestalt mit Schakalskopf, Hapi in Menschengestalt mit einen Paviankopf und Kebehsenuef in Menschengestalt mit einen Falkenkopf) galten als Schützgottheiten über die Eingeweide.
Der ausgeweidete Körper wird mit trockenem Natron (Gemisch aus verschiedenen Natriumsalzen) ungefähr 40 Tage ausgetrocknet (eingepökelt). Damit entzog man die Feuchtigkeit aus dem Körper und verhinderte so den natürlichen Fäulnis- und Verwesungsprozess. Um den Toten während der Trocknungsphase weiter zu entwässern, wurden Säckchen mit Natronsalz in den Körper gelegt.

Weiterführende Informationen zum Thema sind auch zu finden unter:
Raum Jenseitsglauben im Staatlichen Museum ägyptischer Kunst

Dieser leicht überarbeitete Artikel basiert auf dem Artikel Mumie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation. Die Liste der Mumie Autoren ist in der Wikipedia unter dieser Seite verfügbar. Textpassage übernommen mit freundlicher Genehmigung von: lic. phil.-hist. Susanne Ris, Ägyptologin.

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