Tempelkult und religiöse Feste

Große Feste und Prozessionen sind Höhepunkte im Kalender der Ägypter. Sie finden in den Vorhöfen der Tempel, in den Häfen, auf dem Nil und an dessen Westufer statt. Die Wiederkehr des Thronjubiläums und der Besuch von Göttern in anderen Tempeln werden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert.

WO DIE GÖTTER WOHNEN

Heilige Räume

Tempel sind Wohnungen der Götter und Abbilder des Kosmos. Der dunkle Boden aus Basalt steht für die schwarze Erde Ägyptens, Säulen zeigen Pflanzenmotive, und an der Decke sieht man Sterne. Durch den Kult stabilisierten die Könige und Priester das Land und ihre Macht – die Tempel besitzen deshalb nicht nur religiöse, sondern auch politische Funktion.

Ein tägliches Ritual begleitet den Tempelkult: zunächst wird der Raum mit dem Duft von Weihrauch gefüllt. Dann wird das Gottesbild aus dem Schrein geholt und mit Wasser gereinigt. Es wird neu bekleidet, geschmückt, bekrönt und mit Opfergaben versorgt.
Zum Abschluss verschließt man den Schrein wieder und beseitigt die Fußabdrücke des Ritualisten mit dem Besen.

Rituale und Kultgerät

Das Räuchern, vor allem mit kostbaren Weihrauch aus dem fernen Land Punt, ist ein wichtiges Ritual im Tempel. Weihrauch reinigt die Luft und sein Wohlgeruch zeugt von der Präsenz der Götter. Die Situla, ei kleines Bronzegefäß, wird vor allem als Spendengefäß im Kult der Göttin Isis genutzt. Perlenhalsketten mit Gegengewicht (Menit) dienen als rassenartige Musikinstrumente im Kult. Der Götterschrein (Naos) beherbergt das Kultbild und wird beim täglichen Kultbildritual zeremoniell geöffnet und geschlossen.

Opferlisten werden sowohl auf Tempel- wie auch auf Grabwänden angebracht und sichern die Versorgung des jeweiligen Gottes bzw. des Verstorbenen.
Neujahrsflaschen werden im Tempel geweiht und zur Jahreswende verschenkt. Häufig sind sie zusätzlich mit einem Glückwunsch beschriftet.
Standarten werden bei Götterprozessionen mitgeführt und sind fester Bestandteil des Tempelinventars.

Bemaltes Relief einer Götterfigur

Das bemalte Relief einer Götterfigur stammt aus dem Totentempel des Königs Sahure. Es zeigt einen schakalsköpfigen Gott mit Zepter und Anch-Zeichen als Symbol des Lebens. Großformate Götterreliefs wie dieses findet man zu Dekorationszwecken in nahezu jedem ägyptischen Tempel – © J. Heißinger, Aufnahme Pharaonen – Lokschuppen Rosenheim, 2017

Bauten für die Götter

Im Alten Ägypten werden vor allem zwei Gebäudearten aus Stein errichtet: Gräber und Tempel. Andere Bauten entstehen aus Lehmziegeln.
Der Tempelbau beginnt mit einem Ritual, welches vom König ausgeführt wird – und von Seschat, der Göttin des Schreibens, Rechnens und Verhaltens: Zunächst erfolgt das „Spannen des Stricks“, um dadurch das zukünftige Bauwerke zu vermessen. Dann legt man in den Ecken Gründungsdepots von Gefäßen mit Speisen, Modellwerkzeugen und Amuletten an – die eigentliche Gründung mit Fundamentsteinen kann beginnen.
Als Fußboden verwendet man zumeist Basalt. Mauern und Türgewände, Säulen und Pfeiler, Architrave und Decken errichtet man aus vorgefertigten Steinblöcken.

Als ägyptischer Tempel klassischer Form

gilt der Horus-Tempel von Edfu. Der Vorhof mit Säulenumgang führt in eine quer dazu liegende Halle. Es folgen ein weiterer Säulensaal, zwei kleine Vorräume und das Allerheiligste mit dem Götterbild. Die ältesten Tempel Ägyptens bestehen aus Hütten mit Holzstangen und matten oder werden mit Lehmziegeln erbaut. Sie sind nur durch Abbildungen oder geringe archäologische Überreste bekannt.

Das Sedfest

Königliche Regeneration

Seit der Frühzeit wird das Sedfest gefeiert, das wichtigste Königsfest – ein Thronjubiläum, idealerweise nach 30 Jahren Herrschaft.
In der Grabanlage des Djoser zeigt eine Darstellung den König bei seinem rituellen Lauf im großen Hof – er erneuert die königliche Macht.

Djoser trägt verschiedene Ritualgeräte in den Händen und die weiße Krone von Oberägypten auf dem Haupt. Da nur wenige Könige über 30 Jahre herrschten, feierten viele von ihnen das Sedfest schon früher. Ni-user-Re, König der 5. Dynastie, bildet die Festzeremonien in mehreren Reliefzyklen ausführlich in seinem Sonnenheiligtum ab.

Opet-Fest zur Nilschwemme

Das Opet-Fest wird 14 Tage nach Beginn des Jahres gefeiert – auf dem Höhepunkt der Nilschwemme und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Es hängt daher wohl mit der erhoffen Fruchtbarkeit zusammen.

Der Name Opet, was übersetzt „Harem“ bedeutet, weist darauf hin. Nachempfunden wird beim Opet-Fest der Weg des Gottes Amun mit seiner Gemahlin Mut und deren Sohn Chons vom Tempel in Karnak zum Luxor-Tempel in Theben. Der Weg führt teilweise über das Wasser – prächtige Nilschiffe tragen die Barken mit den Statuen der Götter, die zuvor auf den Schultern der Priester zum Nil transportiert werden. Nach der Ankunft in Luxor werden sie im dortigen Tempel mit ihren Opfergaben aufgestellt.

Priester trägt einen Naos

Dieser Priester trägt einen Naos, einen Götterschrein, vor sich. Im Gegensatz zur Bevölkerung dürfen Priester bei Kulthandlungen das Innere des Tempels betreten, da sie als Stellvertreter des Königs handeln. Die Besonderheit der Statue liegt in ihrem ungewöhnlichen Material, dem verkitteten Gestein namens Breccie – Spätzeit, 6. – 3. Jh. v. Chr., Fundort unbekannt © J. Heißinger, Aufnahme Pharaonen – Lokschuppen Rosenheim, 2017

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