Die Bilder stammen von Jon Bodsworth

Religion

Ein Angenehmes Jenseitsleben

Das Hauptthema der Wandmalereien im Alten Ägypten in den Gräbern sind nicht Szenen des täglichen Lebens, wie man sie noch in den Anlagen von Sakkara sehen kann, sondern es handelt sich um Kapitel aus den heiligen Büchern: “Das Buch vom Öffnen des Mundes”, “Das Buch von dem, was in der Unterwelt ist”, “Das Pfortenbuch”, “Die Sonnenlitanei” u.a.

Der verstorbene Pharao musste auf seiner Reise durch die Unterwelt viele Hindernisse und Gefahren überwinden, und dabei sollten ihm die heiligen Texte in Form von Wandmalereien helfen, so dass er schließlich wieder geboren würde wie einst Osiris und Re. Die Wand -und Deckenverzierung der Königsgräber war weit mehr als bloß farbenfroher Schmuck, denn die Künstler schufen für den verstorbenen König effektiv eine ganze ewige Unterwelt.

In der Hoffnung auf ein angenehmes Leben im Jenseits investierten die alten Ägypter viel Mühe in die Ausstattung ihrer Gräber. Sie waren die Türen ins Totenreich und mussten mit Opfergaben versehen und von Totenpriestern gepflegt werden. Gewiss, dieses Vorhaben wurde in vielen Fällen zunichte, weil der vorzeitige Tod des Pharaos dazu zwang, die Arbeiten am Grab abzubrechen oder in aller Hast zu beenden, aber dennoch finden sich im Tal der Könige einige der Bedeutendsten künstlerischen Leistungen der antiken Welt.

Bilder aus dem Jenseits

Die Wandmalereien der Königsgräber bilden in gewissem Sinn das herausragendste Merkmal dieser Monumente, denn sie heben diese Gräber nicht nur von den Beisetzungsstätten rangniedrigerer Angehöriger des Königshauses und anderer Personen ab, sondern liefern auch eine visuelle Darstellung des Jenseits, die sich so detailliert nirgendwo sonst in den Aufzeichnungen der Ägypter findet. Zunächst stellte dieses Modell des Lebens nach dem Tode nur die Unterwelt dar, später jedoch auch den Himmel und damit auch den gesamten Kosmos. Die Hauptthemen der Dekoration sind den drei aufeinander folgenden Dynastien zugeordnet worden, die das Tal der Könige benutzten: die Bahn der Sonne unter der Erde (18. Dynastie); gleiche Betonung der Sonnenbahn unter und über der Erde (20. Dynastie).

In der frühen 18. Dynastie wurde nur die Grabkammer dekoriert, und zwar so, dass sie in Gestalt, Farbe und Beschriftungsstil einer geöffneten Papyrusrolle des Amduat-Buches (Begräbnisbuch) ähnelte, aber ab Thutmosis III. wurden auch auf den Wänden der Vor- und Brunnenkammer diverse Gottheiten abgebildet. In der 19. Dynastie breitete sich die Dekoration auf sämtliche Teile des Grabes aus; dabei scheint die Vorstellung im Vordergrund gestanden zu haben, dass die Grabachse die Ost-West-Bahn der Sonne ins Grab (und ihre West-Ost- Rückkehr) symbolisierte.

In einigen, wenngleich nicht allen Fällen rasterten Zeichner die Darstellungen mit Hilfe an der Wand befestigter Messlatten und farbiger Fäden vor. Danach wurden die Bilder und Inschriften in roter Farbe umrissen und nötigenfalls schwarz korrigiert. Die auf dieser Phase verwendete Sorgfalt zeigt sich darin, dass bei mangelhaften Textvorlagen auf der Grabwand manchmal gem wesh ( für fehlerhaft befunden ) notiert wurde. Ab der Zeit des Haremhab wurde, wenn es sich um ein erhabenes Relief handelte, der Stein um die Darstellungen vor dem Bemalen zurückgeschnitten; andernfalls wurden die Hieroglyphen oder Figuren in den Stein gehauen. Die erstere, kostspieligere Methode wurde bei den Gräbern der 18. Dynastie durchgehend benutzt, bei späteren Monumenten jedoch meist nur am Eingang.

Als nächstes füllten Maler die Umrisse und ihren Hintergrund sorgfältig aus, wobei sie Pigmente in Eingangsnähe im einfallenden Sonnenlicht und im Grabinnern im Schein der Öllampen aufbrachten. Gemeinhin wurden im Tal der Könige nicht mehr als sechs Farben benutzt – Schwarz, Rot, Blau, Gelb, Grün und Weiß-, die aber gelegentlich zur Farbabstufung oder Schattierung gemischt wurden. Bei den frühen Gräbern scheint die Dekoration erst nach Abschluss aller Steinmetzarbeiten und kurz vor der Bestattung angebracht worden zu sein.

Bei späteren Grabanlagen müssen der größeren Ausmaße und der umfangreicheren Ausschmückungen wegen der Bau und die Bemalung parallel gelaufen zu sein. Selbst dann dürften sich Steinmetze und Maler aber abgewechselt haben, damit es in den engen Räumlichkeiten keine Staus gab und die frischbemalten Oberflächen nicht unter dem aufgewirbelten Staub litten. – Gegen Ende der Geschichte des Tals mögen schwindende Mittel gelegentlich dazu geführt haben, dass man anders vorging: Mit der Dekoration des Grabes von Ramses IX. wurde offensichtlich schon während der Regierungszeit des Königs begonnen, aber fertiggestellt wurde sie anscheinend erst nach seinem Tod.

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