Weiterexistenz des Menschen nach seinem Tod

Der Tod ist weder das Ende aller Dinge, noch führt er zu einem kärglichen Dasein in einem Schattenreich. Wer im Diesseits eine bestimmte Arbeit oder Handwerk inne hatte, übte dies auch nach seinem Tode aus. Er bildet gleichsam die Fortführung des bisherigen auf Lebensfreude angelegten Lebens mit anderen Mitteln – so die Vorstellung der alten Ägypter. Archäologische Funde zeigen, dass in Ägypten zumindest seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. an eine wie auch immer geartete, individuelle Weiterexistenz des Menschen nach seinem Tod geglaubt wurde.
Um zu verstehen, wie die alten Ägypter mit dem Tod umgehen und wie sie sich das Fortleben nach dem Tod vorstellten, muss man ihr Menschenbild berücksichtigen. Anders als bei uns heute, wo der Mensch oft als Wesen mit einem (sterblichen) Körper und einer (unsterblichen) Seele, manchmal noch mit einem schwer zuzuordnenden Geist, angesehen wird, ist das ägyptischen Menschenbild wesentlich komplexer.

„Möge deine Seele leben, mögest du Millionen von Jahren verbringen, oh Liebhaber von Theben, mit dem Gesicht zum Nordwind und Augen, die das Glück schauen.“ – Spruch auf dem Trinkbecher Tutanchamuns

Dem Glauben nach besteht der Mensch aus sechs Teilen: drei persönliche bzw. weltliche (chet: für Körper /Leib, ren: Name und schut: Schatten), sowie drei geistigen Kräften: ka, ba und ach.

Nach der Vorstellung der Ägypter bestand der Mensch sowohl aus körperlichen als auch aus geistigen Bestandteilen: Während die drei irdischen Bestandteile beim Tod des Menschen vergingen, blieben die drei ‚überirdischen‘ auch nach dem Tod erhalten. Die sterblichen wa­ren Chet, der Körper, Ren, der Name, und Schut, was so viel wie Schatten bedeutet. Die jen­seitigen Bestandteile waren Ka, Ba und Ach.

Ka war die Lebenskraft, die jeder Mensch von Geburt an besaß. Ihm wurde eine schützende Kraft zugeschrieben. Der Ka war eng mit dem Körper verbunden. Auch nach dem Tod musste er durch Speiseopfer ‚genährt‘ werden, da er für die Versorgung und den Schutz der Toten zuständig war. Es gab sogenannte Ka -Statuen, in denen dieser Bestandteil des Men­schen nach dem Tod weiterlebte.

Ein weiterer Teil war Ba, die Seele, den man sich in Gestalt eines vogelartigen Wesens mit Menschenkopf vorstellte. Er hatte uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und konnte sich so­wohl im Diesseits als auch im Jenseits aufhalten. Nach dem Tod löste er sich vom Leib und kehrte nur nachts wieder zum Körper des Verstorbenen ins Grab zurück. Um dorthin aber wieder zurückkehren zu können, musste der irdische Körper erhalten bleiben, was die Mumi­fizierung und die damit verbundene Konservierung des Körpers so wichtig machte. Der Ba war es auch, der beim Totengericht geprüft wurde. Erst nach dem Bestehen dieser Prüfung wurde dem Toten das Weiterleben im Jenseits gewährt. Durch das Begräbnisritual und die korrekte Ausführung der Totenriten vereinigten sich Ka und Ba wieder miteinander.

Nach dieser Vereinigung lebte der Tote dann in Form des Achs weiter, was man als (To­ten)geist übersetzen kann. Er stellte die Daseinsform des Menschen im Jenseits dar und besaß die Macht, vom Reich der Toten in das Reich der Lebenden einzugreifen (zum Beispiel als Rachegeist).

Ka

Der Ka umfasst die abstrakte Lebenskraft des Menschen, die auch Göttern, Tieren und sogar Statuen zukommt. Er ist die schützende, lebensspendende Kraft des Menschen. Er ist Schutzgeist und Lebensbringer, der mit dem Menschen mitwächst. Häufig wurde ein Pharao als zwei Personen dargestellt, als Kronprinz und als Doppelgänger, sein „Ka“. Merkmale: Schwarzes menschliches Wesen, lebt in Statuen und Bildern der Toten weiter. Zwei abgewinkelt erhobene Arme auf dem Kopf der zu beschützenden Person.

Ba

Der Ba ist ein persönliches, frei bewegliches Seelenelement, das als Vogel mit Menschenkopf dargestellt wird und verließ den Körper im Moment des Todes. Er ist mit unserer Seele vergleichbar. Er konnte die Mumie verlassen und jederzeit wieder in den Körper zurückkehren. Jedoch musste er sich regelmäßig mit seinem Körper vereinigen, um in der Lage zu sein, im Jenseits zu überleben. Dies war natürlich nur dann möglich, wenn der Körper nach dem Tod gut erhalten blieb und nicht durch die Verwesung entstellt wurde. Aus diesem Glauben heraus entwickelten die Ägypter den Mumienkult (siehe Mumifikation). Merkmale: Vogel mit menschlichem Kopf.

Ach

Die Ach ist ein Sinnbild für die enge Verbundenheit des Menschen mit dem Jenseits. Nach dem Tod wacht sie über das Grab und den guten Ruf des Verstorbenen und gilt als Rachegeist, wenn jemand die Totenruhe stört. Ach ging aus der Verschmelzung von Ka und Ba hervor. Nachdem sich der Ach mit dem Ba erfolgreich vereint hatte, galt er für alle Ewigkeit dauernd und unveränderlich. Dargestellt wurde die Ach-Seele in der Gestalt des Schopfibis mit dunkelglänzendem Gefieder. Merkmale: Ibis mit Schopf. In der ägyptischen Vorstellung lebt ein Mensch, solange diese Wesensanteile beieinander sind; wird eines davon zu sehr geschwächt oder entfernt es sich auf Dauer von den anderen, so stirbt er.

Der lange Weg ins Leben nach dem Tod

Ein angenehmes Leben im Jenseits – dafür investierten die Ägypter viel Mühe. Um das Zusammenbleiben von Ka, Ba, Ach und den anderen drei Persönlichkeitsteilen zu ermöglichen, werden bereits zu Lebzeiten Vorkehrungen getroffen. Diejenigen, die über die nötigen Mittel verfügten, bauten oder veranlassten den Bau eines Grabes. Man legte Felsgräber an, die ein bis zu 300 m langes und in der Regel bis zu 20 m tiefes Stollensystem aufweisen. Sie wurden aufwendig mit Malereien, Texten oder bemalten Reliefs dekoriert. Die Motive zeigten den Lebenslauf des Verstorbenen, Begräbnissszenen, Grabbeigaben und Darstellungen des Toten im Jenseits. Bei Pharaonen und Königen auch Abbilder aus der Götterwelt. Ihre Gräber waren die Türen ins Totenreich und mussten mit Opfergaben versehen und von Totenpriestern gepflegt werden. Starb der Auftraggeber vor der Fertigstellung, wurde das Grab unvollendetet versiegelt.

Könige, Noble, Priester und andere Wohlhabende konnte sich neben den Särgen auch kostspielige Stücke wie Möbel und Schmucksachen als Grabbeilage leisten. Wie viel eine Person in ihr Grab mitnehmen konnte, hing vom jeweiligen Reichtum der Person ab. Infolgedessen werden viele Luxusartikel nur in den Gräbern der Auserwählten gefunden. Andere Gegenstände wie Kleider, Kosmetika, Amulette, Nahrung und Schüsseln waren auch bei der allgemeinen Bevölkerung zu finden. All diese Gegenstände wurden gleichzeitig auch bildlich festgehalten, wodurch auf magische Weise sichergestellt wird, dass es dem Toten niemals daran mangeln soll. Die regelmäßige Versorgung mit Totenopfern (prt-hrw) oder das „Ewige Mahl“ (Speisen (Brot, Gerstenbrei, Grillfisch etc.), Getränken (Wein) und Gebeten) ist die Aufgabe der Nachkommen; sie kann aber auch mittels einer Stiftung an einen Tempel und die dortigen Priester delegiert werden. Innerhalb der königlichen Familie übernahmen die Priester die Pflege der Toten, so dass sie sich diesbezüglich keine Sorgen machen musste. Um ein angenehmes Leben im Totenreich zu führen und möglichst wenig Arbeit zu haben, wurden den Gräbern sog. shabtis (auch Uschebtifiguren (ägypt. „Antwortende“)) beigelegt. Sie wurden durch einen bestimmten magischen Zauberspruch auf wundersame Weise zum Leben erweckt und wussten genau ihre Aufgaben. Als Diener der Verstorbenen ermöglichten sie der toten Person sich zu entspannen, während die shabtis ihre körperlichen Aufgaben durchführten. Meistens sind die aus Holz, Metall oder Stein gefertigten Dienerfiguren beschriftet mit dem 6. Spruch aus dem Totenbuch sowie dem Namen und Titel des Verstorbenen. Wen sie gerufen wurden, musste die shabtis antworten: „Hier bin ich“. Wohlhabende hatten einen shabti für jeden Tag.

Von li. nach re.: shabti eines Besitzers mit Namen Bakweru, Neues Reich, 19. -20. Dynastie, vermutlich aus Theben. shabti eines Besitzers mit Namen Hor, 21. Dynastie. Aus Deir el-Bahari, Theben. shabti eines Besitzers mit Namen Baketisis, Neues Reich, 19th Dynastie. – National Museum of Antiquities, Leiden, © National Museum of Antiquities, the Netherlands

Textpassagen übernommen mit freundlicher Genehmigung von: lic. phil.-hist. Susanne Ris, Ägyptologin. http://publicrelations.unibe.ch

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